Die Zeit des tiefsten Sonnenstandes im Jahr wird auch Mittwinter genannt. Unsere Ahnen fühlten sich zu diesem Zeitpunkt mitten im Winter!
Die Winter-Sonnenwende hat ihren Ursprung in germanischen Kultkreisläufen, der 21. Dezember entspricht dem Jul-Fest, das die Germanen zwischen dem 21. Dezember und Anfang Februar feierten. Am Jul-Fest löschten sie das Feuer im heimischen Herd und im Hof, um von einem gemeinsam entzündeten Ritualfeuer einen neuen glühenden Scheit ins Haus zu holen. Das Jul-Fest war kein einziges Fest von nur einer Nacht, sondern das Ineinandergreifen verschiedener Dankes-, Sonnen-, Toten- und Fruchtbarkeitsrituale.
In der germanischen Mythologie war das Jul-Fest Startschuss für Wotan, den mächtigsten Gott im Götterhimmel. Jetzt drängt es ihn, mit seinem Heer aus Naturgeistern und verstorbenen Seelen in einer wilden Jagd durch die Raunächte zu reiten. Wotan hat eine wichtige Aufgabe: die Sonne aus der Unterwelt zu befreien!
Das weibliche Gegenüber von Wotan ist Hel, die als einstige Vegetationsgöttin in die Unterwelt eingezogen ist und dort über die Toten wacht. In Märchen und Sagen begegnet sie uns als Frau Holle, als Precht, die wilde Precht oder Berta. Ihre Zuständigkeiten umfassen das gesamte Spektrum menschlichen Daseins: Sie bringt Fruchtbarkeit und neues Leben genauso wie den Tod. Sie beherrscht die vier Elemente, die vier Jahreszeiten und das Wetter. Sie sorgt für Ruhe unter dem Schnee und nimmt Menschen, Tiere wie Pflanzen mit sich unter die Erde, um dort Kräfte zu sammeln und alles zu erneuern. In den Raunächten wird ihre Verbindung zu den Nornen, den Spinnerinnen des Schicksals, deutlich: Auch Frau Holle hält die Fäden in den Händen, um daraus Menschenschicksale zu spinnen und zu weben.
nach Christine Fuchs „Räuchern – im Rhythmus der Jahreszeiten“