Zum Frühlingsbeginn

Noch bevor die Bäume wieder Blätter tragen, erheben sie ihre kleinen Häupter; eine Fülle weisser Tupfen, die unbändig den Waldboden sprenkeln und Kunde tragen von all dem, was kommen wird. Buschwindröschen tanzen zum Lied eines Sommers, den sie selbst nie erleben. Ihre Blüten zählen zu den ersten, die sich entfalten, denn nur, wenn die Wälder noch karg sind, finden diese Blumen genügend Licht um zu gedeihen. Sie wiegen sich in Sonnenstrahlen, die noch kaum mehr als das Versprechen von Wärme in sich tragen, huldigen den länger werdenden Tagen, dem wiederkehrenden Leben. Buschwindröschen sind der Hoffnungsschimmer nach der Dunkelheit, und in diesen ersten lichten Wochen des Jahres schenken sie uns ihre ganze Kraft. Sie blühen zu Tausenden, dicht an dicht, immer weiter, immer schöner, begleiten unsere Träume, unsere Sehnsucht, bis der Frühling endgültig anbricht. Dann, wenn auch die Wälder erwacht sind, ziehen die kleinen Blumen ihre Blätter ein. Als hätten sie niemals existiert, verschwinden sie, werden unsichtbar, der Hauch einer verlorenen Erinnerung.

Ihr Tanz endet so plötzlich, wie er begann. Doch tief unter der Erde, verborgen vor den Augen dieser Welt, schlummern sie und sammeln ihre Kraft. Warten, geduldig und vergessen, bis das Lachen des Sommers verklingt, bis die Blätter der Bäume welken und fallen, und sich die Stille des Winters über das Land breitet. Sie warten, sammeln sich, harren aus. Bis zu jenem einen Tag im Frühjahr, an dem ihr Tanz von Neuem beginnt – und aus Erinnerung die Hoffnung wird. Auf alles, was kommen mag.